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Afghanistan zwischen Besserung und Fortschritt

Afghanistan ist wie ein buntes Mosaik von kultureller und ethnischer Vielfalt. Viele Afghan:innen sind traditionell und fühlen sich ihrer Folklore verpflichtet, anderseits setzen sie sich seit Jahren für eine Modernisierung ihres Staates ein. Sie heißen Fremde mit einer umwerfenden Gastfreundschaft willkommen. Sie gelten als schwermütig und singen traurige Lieder, lieben aber gleichzeitig viele heitere Geschichten.

In deutschen Reiseführern lesen wir von einem vielfältigen, einem abwechslungsreichen Land mit einer spannenden Geschichte und Traditionen. Wir erfahren über das Alltagsleben und die Gesellschaft. In Reiseführern über ein Land, in das niemand reisen möchte. Als Kriegsland bekannt ist Afghanistan seit Jahrzehnten isoliert.

Afghanistan ist von Krieg und Gewalt geprägt. Zwar gibt es seit dem Ende des Taliban-Regimes im Jahr 2001 in weiten Teilen des Landes funktionierende Strukturen, doch regelmäßige Anschläge erschüttern weiterhin das Land. Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wasser und Strom haben sich verbessert. Auch die lebendige Zivilgesellschaft und Medienlandschaft geben Zuversicht. Ganz zu schweigen von den neuen Freiheiten für Kinder und Frauen, die Hoffnung machen auf ein reformiertes Leben. Dennoch gilt: es klafft eine große Lücke zwischen den gesetzlichen Rechten und der gelebten Wirklichkeit.
Afghanistan braucht nachhaltigen Frieden. Seit September 2020 laufen die innerafghanischen Friedensverhandlungen zwischen Delegierten der afghanischen Regierung und den Taliban in Doha. Ziel ist der Aufbau einer stabilen, rechtsstaatlichen und demokratischen Struktur im Land. Die Friedensverhandlungen sind Teil eines gemeinsamen Abkommens zwischen den USA und den Taliban zum vollständigen Abzug aller internationalen Truppen. Afghanistan soll seine Souveränität zurückerlangen.

Die Kritik: Der Abzug spielt in die Hände der Taliban. Geringe internationale Aufmerksamkeit sorgt vor allem dafür, dass sie ihre gesellschaftlichen Vorstellungen durchsetzen können. Viele Afghan:innen fürchten vor dieser Entwicklung. Nicht zuletzt diejenigen, die 2020 in zahlreichen Abschiebeflügen aus Deutschland nach Kabul zurückgeflogen wurden und Angst vor einer ungewissen Zukunft haben.

Souveränität für Afghanistan ist Besserung und Fortschritt. Friedensverhandlungen sind Besserung und Fortschritt. Für uns. Für Menschen, die weiterhin entscheiden können, nach Afghanistan zu reisen oder nicht. Ob die Souveränität und Friedensverhandlungen – zum jetzigen Zeitpunkt und bei dieser Umsetzung – Besserung und Fortschritt bedeuten für die Menschen, die wir jährlich abschieben oder sich seit Jahren für einen modernen Staat einsetzen, bleibt höchst zweifelhaft.

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